Bis zu unseren letzten Begegnungen Anfang März diesen Jahres, den letzten Vereinsabenden vor dem Lockdown, kam er - trotz seiner 96 Jahre noch selbst am Steuer – mit seinem gut gepflegten Mercedes-Benz gegen 20.00 Uhr vor dem Haus der Vielfalt vorgefahren, fand in aufrechter Haltung, allenfalls ein klein wenig vorgebeugt und ohne Stock, den Weg hinauf zu uns ins Spiellokal und grüßte freundlich in die Runde.

Stets in Cordhosen, meist im Pullover und in der kälteren Jahreshälfte auch im grünen Parka, pflegte er dann, die Hände auf dem Rücken verschränkt, einen Blick auf die schon laufenden Partien zu werfen, bevor ihn einer der Anwesenden zu einer Partie einlud. Dabei ließ er es sich mit den weißen Steinen gutmütig gefallen, dass „respektlose“ Gemüter wie Udo R. – sehr selten natürlich – auch schon mal selbst seinen ersten weißen Zug am Brett ausführten, natürlich c4! „Was anderes kann ich ja nich“, pflegte er manchmal zu sagen, dies konnte er aber ziemlich gut, so dass auch nominell stärkere Gegner nicht selten gegen ihn ins Straucheln kamen, vor allem wenn sie eine Partie aus ihrer Sicht schon in trockenen Tüchern glaubten und dann von einem taktischen Schlag, einer Falle Eugens aus ihren Siegesträumen gerissen wurden. Eine Tasse Kaffee, manchmal auch zwei, auch die Pfefferminzklümpchen durften dabei nicht fehlen, besonders nicht bei Turnierpartien im Verein wie Pokal und Meisterschaft, an denen der Vereinsmeister von 1968 bis vor etwa zwei Jahren regelmäßig teilnahm. Danach war es ihm verständlicherweise zu anstrengend, bis potentiell um halb zwölf am Brett sitzen zu müssen. Lange jedoch war er auch bei Schnellschach-Turnieren noch mit dabei.

Im Jahre 1924 geboren – in der Mitte der Ägide von Weltmeister Capablanca! – lernte Eugen später das Elektriker-Handwerk. Im Zweiten Weltkrieg war er unter anderem in Südfrankreich als Funker eingesetzt. Noch an seinem 95. Geburtstag im Januar letzten Jahres berichtete er einigen geladenen Vereinsmitgliedern nicht ohne Stolz von seiner hohen Anschlag-Geschwindigkeit in dieser Zeit. Wie fit er bis zuletzt war, zeigte er auf dem Sommerfest bei Rudi, als er sich zum Tischtennisduell nicht zweimal bitten ließ und auch hier jede Sorglosigkeit im Kampf zu bestrafen wusste.

Als wir Eugen zu seinem 90. Geburtstag im Januar 2014 besuchten, saß seine Gattin noch mit uns am Kaffeetisch und kam freundlich, aber bestimmt immer wieder darauf zu sprechen, wer denn wohl das Recht auf den Sonntagnachmittag mit Eugen hätte: doch gewiss nicht der FS 98! Aber nein, das war gewiss, Eugen war da selbst ganz standhaft, selbst als Ersatzspieler stehe er nicht zur Verfügung. Aber als seine Ruth ihm wenige Monate später vorausging für lange 5 Jahre, änderte Eugen seine Haltung und zeigte in der Vierten, warum es wohl früher immer mal wieder Anfragen gegeben hatte: Zunächst nur in den Heimspielen im Westfalenkolleg, später auch in Auswärtskämpfen, die er mit Hilfe seines Navigationssystems ansteuerte, verstärkte er uns mit wachsendem Ehrgeiz. Unvergessen sein Einsatz im Oktober 2017, wo er gegen den späteren Aufsteiger Mengede 2 fünf Stunden gegen Dennis Ropel kämpfen musste: Wir Kiebitze standen hinter ihm, als er in komplizierter Gewinnstellung die für ihn ungewohnte elektronische Uhr zu drücken versäumte. Trotz unseres unauffälligen Räusperns ließ er 10 Minuten verstreichen. Es wurde eng. Während wir alle schweißüberströmt die Daumen drückten, beruhigte er jedes Hyperventilieren, zeigte souveräne Endspieltechnik und sicherte sich und uns in letzter Minute den Sieg. Feiern lassen wollte er sich danach natürlich nicht. Mit der ihm eigenen Bescheidenheit wischte er auch zuletzt im Februar meinen Hinweis zur Seite, dass er gerade den 10. Sieg in Folge für die Vierte gesichert hätte. Das seien ja alles leichte Gegner gewesen. Wie gern hätten wir mit ihm einen weiteren Aufstieg gefeiert.

Die Tabelle studierte er nämlich genau, da offenbarte er sein Kämpferherz dann doch ganz unverblümt. Das schlug selbst bei Trainingspartien an den Spielabenden; ein spekulatives Opfer zu widerlegen, war ihm immer ein Anliegen, für das er in angestrengtes Nachdenken versinken konnte. Nun hat es unvermutet zu schlagen aufgehört, obwohl wir heimlich schon seinen 100. Geburtstag planten.

Wir werden ihn mit seinem stets freundlichen und aufgeschlossenen Wesen sehr vermissen.

Udo Rauschenbusch/Christian Bommert

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