Neben der allseits bekannten "Rochade Europa", der "Zeitschrift Schach - Deutsche Schachzeitung" und vielleicht noch "Karl - Das kulturelle Schachmagazin" bietet das "Schachmagazin 64" ebenfalls die Möglichkeit, sich monatlich in gedruckter Form über das Schachgeschehen in der großen weiten Welt zu informieren. In letztgenannter Zeitschrift fand ich in der August-Ausgabe einen Artikel, der nur bei absolutem Gutglauben nicht als blanke Werbung für ein Produkt aus dem Hause ChessBase durchgeht. Konkret geht es um "Master Class Vol. 17 - Boris Spassky", eine DVD (wahlweise auch als Download), wobei aus dem namentlich nicht gekennzeichneten Beitrag nicht hervorgeht, ob dies nun eine bezahlte Rezension, ein neutraler Bericht, oder schlicht Werbung sein soll. Nun gut. Gestolpert bin ich letztlich über ein illustrierendes Schachdiagramm, das Spasskys "faszinierende Taktik" belegen soll:

 SM64 Spassky August 2024

Sicherlich und unbestritten war Spassky einer der stärksten Spieler jener Zeit und 1970 der amtierende Weltmeister - doch wie gewinnt er mit "faszinierender Taktik" nach dem Partiezug Td6? (Am Rande bemerkt: Es ist nicht der 31. Zug, sondern erst Zug Nr. 29! Zu recherchieren z.B. in der "Mega Database 2023" auch von ChessBase, in der die fragliche Partie komplett mit Anmerkungen von Raj Tischbierek enthalten ist.) Der schwarze Turm auf d6 spießt Dame und Springer auf und Weiß muss schon den Zug De4 spielen, um Zeit für die Rettung seines Springers zu gewinnen (da der Turm auf a8 hängt). Wenn nun Tad8 gefolgt wäre, hätte Schwarz einer aktuellen Stockfish-Analyse zufolge noch den Ausgleich halten können. Doch Fischer geriet nach seinem Partiezug Taf8 schon ein wenig auf die schiefe Bahn und leistete sich dann wenige Züge einen "dicken Bock", der ihn endgültig auf die Verliererstraße brachte. Und Spasskys "faszinierende Taktik"? Beruht bei dieser Partie tatsächlich auf eine von Igor Saizew 1970 veröffentlichten Variante (wiederum laut Tischbierek) für den alternativen Zug aus der Diagrammstellung Td4-d1, in der dann Weiß seinen Turm auf e1 opfert, mit seinem König bis nach g5 wandert und zusammen mit Dame und Springer ein undeckbares Matt zaubert. Sicherlich schön, aber a) nicht gespielt und b) nicht von Spassky!

Bleibt die Frage, wer für diesen schlampig zusammengedengelten Artikel verantwortlich zeichnet - und ob das vorgestellte Produkt "Master Class 17" dem Ex-Weltmeister gerecht wird ...

Quellen:

  • Schachmagazin 64, Ausgabe 08/2024, Seite 42 (Artikel hier als pdf)
  • Mega Database 2023 von ChessBase (in gedruckter Form findet sich die fragliche Partie auch in "Sternstunden des Schachs - 30 x Olympia" von Raj Tischbierek)
  • Stockfish-Analysen (via Lichess)
  • GM Daniel King bespricht die Partie auf Youtube (englisch)
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