Er war einer der schärfsten Kritiker des Flughafens von Kathmandu, der Hauptstadt Nepals, gewesen: zu laut, so sein Urteil, zu viele Maschinen, beengte Platz- und schwierige Sichtverhältnisse, ein zu gefährlicher Anflug. Nun ist er selbst ein Opfer der schwierigen Start- und Landebedingungen geworden. Wie erst gestern bekannt wurde, war Thomas Ghose-Winterhagen, wie Richard Yétis bürgerlicher Name lautete, eines der 49 zu Tode gekommenen Unglücksopfer an Bord der Bombadier DHC-8-400, die am 12. März diesen Jahres, von Dhaka in Bangladesh kommend, bei der Landung auf dem Tribhuvan International Airport in Kathmandu von der Bahn abkam und in Flammen aufging. Ghose-Winterhagen war Gast-Autor unserer Randspringer-Rubrik und Verfasser zweier Texte. Er hinterläßt eine Frau und zwei erwachsene Kinder. Ich selbst hatte nur einmal die Gelegenheit, persönlich mit ihm in Kontakt zu treten, vgl. das Interview in dieser Rubrik vom 16.12.2017. Ein zentrales Element dessen, was Ghose-Winterhagen um- und antrieb, so glaube ich sagen zu können, war sein Wunsch, den Menschen zu einem anderen und besseren Sehen zu verhelfen. Daher sei hier – statt vieler Gedenk-Worte - einfach im Nachklang noch seine letzte Mail an mich vom 16.12.17 im vollen Wortlaut wiedergegeben, die dieses Bestreben Ghose-Winterhagens in treffender Weise zum Ausdruck bringt:

Hi Udo,
aus dem Zug heraus noch schnell ein paar Zeilen, die mir gerade zu unseren drei Texten auf der Randspringer-Rubrik eingefallen sind. (Neben mir sitzen übrigens Serkan und Viktor, die beiden DB-Sicherheitsfachkräfte, die mich nach meinem lauten Singsang im Dortmunder Hbf so fürsorglich zum und in den RE nach Oberhausen geleitet und begleitet haben ... Sie lassen schön grüßen, höre ich gerade!). Also: das Gemeinsame an unseren drei Texten scheint mir zu sein, daß es in allen dreien um eine andere und neue Weise des Sehens geht. Isaac Newton hat es vorgemacht: Millionen Menschen sahen hunderttausende von Äpfeln von hunderttausenden Bäumen herunterfallen und dachten sich nichts dabei. Dann sah er dasselbe und entdeckte das Gesetz der Schwerkraft. Natürlich war sein Denkapparat besser vorbereitet als bei den anderen Sehenden – und doch: die naheliegende Frage, die sich jeder „Apfelfallbeobachter“ hätte stellen können, auch ohne theoretisches Vorwissen, war doch die ganz einfache Frage „Warum eigentlich?“. Warum fällt der Apfel runter und bleibt nicht in der Luft hängen? Warum geht nicht mehr Früchtequark auf einen Karstadt-Cafeteria-Teller, warum sehen wir Gefahren im Schachspiel erst so (oder zu) spät und warum verwerfen viele Menschen voreilig und ungeprüft Denk- und Handlungsempfehlungen, obwohl diese ihnen mittel- und langfristig ein angenehmeres und zufriedeneres Leben verheißen? Die Antworten fallen unterschiedlich aus: im ersten Fall, dem Karstadt-Teller, haben wir nur einen Bruch mit gesellschaftlichen Normen, vor dem wir zurückschrecken, einen kurzfristigen Tabubruch, der auf unterhaltsame Weise ein paar Körnchen Sand ins Getriebe des Kapitalismus streut. Im zweiten Fall, beim Schach, lassen uns eingeschliffene Sicht- und Sehweisen drohende Gefahren nicht erkennen – Sie haben sich in Ihrem Schach-ABC-Text auf das Negative, auf die Gefahrenabwehr konzentriert; ins Positive gewendet wird man von selbstgesetzten Denkverboten, Prozessen vorschnellen Verwerfens und Filtermechanismen sprechen, die das Auffinden von Glanzzügen oftmals erschweren. Und im dritten Fall, dem Thema „Welterklärung“ sozusagen, ist es die oberste Hierarchie-Ebene, PC-technisch gesprochen der „Arbeitsplatz“ des Menschen oder besser noch: sein geistiges Betriebssystem, das ihm den Zugang zu besser geeigneten Sichtweisen auf die Welt versperrt: alles, was das zentrale Glaubenssystem in Frage stellt, das sich oftmals durch zufällige und banale Ereignisse in Kindheit und Jugend herausgebildet hat (Der Herr Pfarrer hatte ein Verhältnis mit der Kirchenchor-Leiterin und schon ist alles Spirituelle verdächtig, unglaubhaft und negativ eingefärbt o.ä.), wird sofort maximal bekämpft – weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Geeignete und weniger geeignete Sichtweisen im Wettbewerb, darum geht es immer und überall! Das Bessere ist der Feind des Guten! Muß Schluß machen, höre ich gerade, Zwischenstopp in Essen, Serkan und Viktor werden mich zum „NRW-Bereichsleiter Kundenmanagement“ begleiten, daher abschließend nochmal (lautlos): Labadabdabdab Schach!

 

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