Hatte ich kürzlich noch herumgemäkelt, dass nur selten Mitglieder der Schachabteilung zu Turnieren außerhalb der Dortmunder Stadtgrenzen reisen, so ist aktuell jedoch erneut ein FS98er "in der Fremde" aktiv. Praktisch direkt nach seinem Sieg in unserem kleinen Schach960-Turnier vergangenen Donnerstag zog es Mykhailo Boldyriev in den hohen Norden, um in Kiel am "6. Internationalen Schach960-Festival" teilzunehmen.
Das Turnier dort - veranstaltet von der Deutschen Schach960 Stiftung und dem SK Doppelbauer Kiel - hat freilich ganz andere Dimensionen, als unsere kleine Veranstaltung hier beim FS98: Der Preisfonds von 10000 Euro lockt namhafte Großmeister wie Alexander Donchenko, Daniel Fridman, Igor Klek und Vitaly Kunin an die Kieler Förde. Bis Startrang 32 liegen die Wertungszahlen über 2000 ELO/DWZ, insgesamt nehmen 52 Spieler und eine Spielerin an diesem 9rundigen Turnier teil.
Gespielt werden "lange Schnellschachpartien" mit 25 Minuten Bedenkzeit, plus einer Zeitgutschrift von 30 Sekunden pro Zug. Die Organisatoren kalkulieren mit bis zu zwei Stunden Gesamtspielzeit pro Partie, und das Turnier verteilt sich auf die drei Tage vom 28. bis 30. März.
Geldpreise für verschiedene Ratinggruppen steigern die Attraktivität auch für Amateure unserer Kragenweite, Mykhailo startet in der Gruppe 1600-1799 ELO/DWZ.
Die ersten 20 Bretter pro Runde werden live übertragen (bei Lichess), zusätzlich pickt sich ein Kommentatorenteam um GM Stefan Kindermann einzelne Partien - meist liegt das Augenmerk auf den Spitzenbrettern - heraus. Auch dieser Kommentar ist live mitzuverfolgen über den Twitch-Kanal des SK Doppelbauer Kiel, aber auch erreichbar über besagte Lichess-Seite.
Das Losglück in der 1. Runde bescherte Mykhailo gleich einen gestandenen IM als Gegner, die Partie wurde an Brett 18 gespielt und man konnte somit live bei Lichess kiebitzen. Und das war spannend! Denn Mykhailo kam mit der ausgelosten Grundstellung besser zurecht und machte mit Schwarz Druck gegen die weiße Rochadestellung:
Allerdings ist eher bedächtiges Vorgehen gefragt, die Engine hätte hier gerne den prophylaktischen Zug Kc8-b8 gesehen, denn ein unmittelbarer "Ausknipser" liegt nicht in der Luft.
In der Folge betrieb Mykhailo auf der Suche nach der richtigen Fortsetzung ungesunden Raubbau an seiner Restbedenkzeit und kam auf der Uhr mächtig unter Druck. Folgerichtig schlichen sich Fehler ein und in einem dann schon schlechteren Endspiel sorgte ein letzter Fingerfehler für Figurenverlust und Aufgabe.
Es blieb nicht viel Zeit, das Drama zu verdauen und sich für die nächste Runde zu entspannen, da seine Partie eine der längsten der Auftaktrunde gewesen war. Auch Mykhailos zweite Partie fand wieder am Live-Brett 18 statt, doch für diesen Tag war die Luft erstmal raus und die zweite Null stand zu Buche.
Der Samstag war mit vier angesetzten Runden nicht weniger strapaziös, und nach sechs gespielten Partien rangiert Mykhailo mit zwei Punkten zwar im unteren Tabellenviertel, aber immer noch im Bereich eines möglichen Ratingpreises. Also: Daumendrücken für die letzten drei Runden am Sonntag ist angesagt!